Ines Doujak untersucht in ihren zumeist langfristig angelegten Projekten Normen menschlichen Verhaltens als strukturelle und konstituierende Elemente der Gesellschaft. Daraus entstehen verdichtete Arbeiten zu Rassismen und zu (Post-) Kolonialismus bzw. gegen jegliche Form von hierarchischen Handlungsweisen oder Diskriminierungen. Aus der Perspektive einer dezidiert feministischen Prägung entwickelt sie ein gesellschaftskritisch orientiertes Werk im Spannungsfeld künstlerischer Produktion und politischer Agitation. Dementsprechend umfassend gestaltet sind ihre Projekte. Sowohl auf Grund der Kombination verschiedenster Materialien, Medien, Mittel und Aktivitäten als auch in Hinblick auf ihr expansives Verhalten im Bezug auf Raum und Zeit verweigern sie sich einem konventionellen Werkbegriff. Vergleichbar mit Joseph Beuys` Idee der "Sozialen Plastik" sprengt Doujaks künstlerisches Werk nicht nur institutionelle Grenzen, etwa wenn sie, wie im Jahr 2002, mit einem eigenen LKW an der Regenbogen-Parade in Wien teilnimmt. Auch überschreitet sie die klassische Vorstellung von AutorInnenschaft, wie sie zuletzt durch die Beteiligung von Salzburger Seniorinnen an ihrem Projekt "Dirty Old Women", welches diese von einer ungewohnt lebendigen, ja beinahe ausschweifenden Seite zeigte, demonstrierte. Lustvoll und zuweilen bunt und schrill feiert sie das Anders-Sein und macht damit weithin sichtbar, was nicht der gängigen Norm entspricht und von Gesellschaft und Staat doch lieber unter den Teppich gekehrt würde. Ihre Fotografien, Installationen und performativen Arbeiten im öffentlichen Raum legen Subjektivität und Begehren, aber auch soziale Macht und Gewaltstrukturen offen. Mit dem Ziel einer Umwertung kollektiver Sehgewohnheiten arbeitet die Künstlerin mediale Klischees und eingefrorene Identitätszuschreibungen durch, wie z.B. Jüdisch-Sein, Frau-Sein, Homosexuell-Sein, MigrantIn-Sein. In wenigen Worten gelingt Roger M. Buergel (Leiter der Documenta XII, 2007) und Hedwig Saxenhuber (Kuratorin und Kritikerin) eine klare Positionierung von Doujaks Schaffen: "In Doujaks künstlerischem Werk sind zwei Stränge zu bemerken: einer, der sich explizit mit politischen Fragestellungen, dem Zustandekommen von Vorurteilen und Klischees und der Untersuchung von Bildpolitiken befasst, und ein zweiter, in dem es darum geht, gegen konventionelle Frauenbilder neu gefasste, starke, lustvolle Bilder von Frauen zu zeigen, wie beispielsweise im Zyklus `Dirty Old Women`."1
In einer Zeit, in der die diskursive deutsche Popband Blumfeld die "Diktatur der Angepassten" beklagt, in der Feminismus scheinbar altbacken geworden ist und sich rechtskonservative Parteien wachsenden Zuspruchs erfreuen, verblüfft Doujaks intelligentes und wohlrecherchiertes Werk in seinem lebendigen Aufbegehren gegen die Festschreibung rigider gesellschaftlicher Normen und die damit einhergehende Einschränkung von Menschenrechten und persönlicher Freiheit. Dabei klagt Doujak nicht an, sondern versucht das vorgefundene Bildmaterial aus einem hierarchischen Kontext zu lösen und somit Unterschiede in einem vielmehr gleichberechtigten Nebeneinander zu organisieren.
Ausgewählte Werke:
Erlauf erinnert sich... (2000): Anlässlich dieses Projektes im Sommer 2000 beschäftigte sich Ines Doujak mit dem Begriff "Heimat" am Beispiel der Geschichte der autochthonen Minderheit der Kärntner Slowenen und setzte sich in diesem Zusammenhang intensiv mit dem Holocaust auseinander. In einer Infobox vor der Raiffeisenkassa in Erlauf behandelte sie in vier verschiedenen Arrangements aus Texten und Bildern die Themen Heimat, Vertreibung, Identität und Ortsverbundenheit, Entwurzeltsein und Migration. Zusätzlich organisierte die Künstlerin eine Veranstaltung unter dem Titel `Heimatabend`, während der sie in einem Video überlebende Frauen des Konzentrationslagers Ravensbrück zu Wort kommen ließ und eine Zeitzeugin von ihren Erfahrungen erzählte.
Boxes (2001) war Teil der Ausstellung Die Regierung an der Universität Lüneburg. In seriell übereinander angeordneten Schachteln zeigte Ines Doujak Bilder einer als orthodoxer Jude verkleideten Frau, die frappant dem allgemein transportierten Typisierungsprofil entsprechen. Die einfache Form und die Schaltung in Serie erinnern an die berühmten "Specific Objects" des amerikanischen Minimalisten Donald Judd. Durch diesen Verweis erfahren die Boxes eine Aufladung als Objekte, die wiederum verstärkend auf die inhaltliche Aussage wirkt. Die Arbeit behandelt das Thema Antisemitismus auch im Hinblick auf eine einschlägig determinierte Bildpolitik und die damit verbundene Prägung von Wahrnehmungskonventionen.
Vater Arsch (2002): Doujaks Arbeit für ihre erste Einzelausstellung in der Secession mit dem provokativen Titel Vater Arsch fokussiert die Themen Heterosexismus und Heteronormativität. Die Künstlerin lenkt den Blick auf die vielfältigsten Arten sexuellen Begehrens und untersucht in diesem Zusammenhang gesellschaftliche Ordnungs- und Abgrenzungsmechanismen. Neben der sich über mehrere Räume erstreckenden Installation in der Secession umfasste Doujaks Projekt die Teilnahme an der Regenbogenparade am 29. Juni 2002 mit einem eigenen Wagen. Die Regenbogen- oder Christopher Street Day Parade steht für die öffentliche Forderung nach einer Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transsexuellen mit Heterosexuellen. Die Parade erinnert an die Ereignisse von 1969 in New York, wo es in der Christopher Street nach Übergriffen der Polizei auf Homosexuelle erstmals zu offenem Widerstand und Demonstrationen von Seiten der Lesben- und Schwulenbewegung kam.
Dirty Old Women, 2005 im Salzburger Kunstverein, ist ein vielschichtiges Projekt, das die Künstlerin bereits seit mehreren Jahren beschäftigt. Es thematisiert Zusammenhang, Bedeutung und Repräsentation von Alter und Weiblichkeit. Alter wird, wie andere Ausdrucksformen gesellschaftlicher Differenz (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Klasse) auch, als eine soziale Konstruktion gesehen, die zu hinterfragen oder zu verwerfen im Focus der Auseinandersetzung steht. Über die Autorschaft der Künstlerin hinaus involviert Dirty Old Women in Fotoworkshops, Modeschauen, Zeitungs- und Plakatprojekten zahlreiche Salzburger Seniorinnen und bietet ihnen eine Bühne zur Konfrontation ihrer Selbstsicht mit dem medial vermittelten Klischee.
Kurzbiografie:
Ines Doujak: *1959 in Klagenfurt. Sie lebt und arbeitet in Wien. Diplom an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien.
Ausgewählte Ausstellungen:
Einzelausstellungen: 2005 Dirty Old Women, Salzburger Kunstverein, Salzburg / 2002 Ines Doujak: Vater Arsch, Secession, Wien.
Gruppenausstellungen: 2005 Be what you want, but stay where you are, Witte de With, Rotterdam; Die Regierung. Paradiesische Handlungsräume, Secession, Wien / 2004 How do you want to be Governed?, MACBA (Museu d`Art Contemporani Barcelona), Barcelona; Being in the World, Miami Art Central, Miami / 2003, Die Regierung, Kunstraum der Universität Lüneburg, Lüneburg; Formen der Organisatio, Galerie der Hochschule für Grafik, Leipzig und Galerija Skuc, Ljubljana (2002) / 2002 Geschichte (n), Salzburger Kunstverein, Salzburg / 2001 I feel a song coming along, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf; du bist die welt, Wiener Festwochen, Künstlerhaus Wien, Wien; The Subject and Power, CHA Moskau / 2000 Widerstand, art and politics from Austria, artspace Rhizom, Aarhus; Erlauf erinnert sich..., Erlauf; Dinge, die wir nicht verstehen, Generali Foundation, Wien; Don`t let it in, don`t let it out, Knoll Gáleria Budapest, Budapest; Gouvernementalität. Kunst in der Auseinandersetzung mit der internationalen Hyperbourgeoisie und dem nationalen Kleinbürgertum, Alte Kestnergesellschaft, Hannover / 1997 Sex & Space II, Raum. Geschlecht. Ökonomie, Shedhalle, Zürich und Forum Stadtpark, Graz (1996).
Autonome Projekte:
2000 kulturkarawane gegen rechts – durch die dörfer und kleinstädte kärntens/koroska und der steiermark/stajerska / 1999 Lick before you look (Mailposter mit Marth) / 1997/98 Frauensolidarität. Frauenbeziehungen, Videoprojekt (Konzept und Koordination).
Ausgewählte Publikationen:
Roger M. Buergel, Ruth Noack [Hg.], Dinge die wir nicht verstehen, Generali Foundation, Wien 2000; Ines Doujak. Vater Arsch, Secession, Wien 2002; Die Regierung. Paradiesische Handlungsräume, Secession, Wien 2005.
Abbildungen:
Boxes (2001), Photo: Ines Doujak;
Dirty Old Women (2005), Performance zur Ausstellungseröffnung im Salzburger Kunstverein, Photo: Irene Kat.
Courtesy Ines Doujak
1) Roger M. Buergel, Hedwig Saxenhuber, "Grüße aus Wien"; in: springerin, Band VII, Heft 2/01, S. 52-55. |