Die kritischen Projekte zum "Gedenkjahr 2005" handeln
zwangsläufig vom Umgang der Zweiten Republik mit der
nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs, ist
das doch der schwache Punkt der zahlreichen Jubelveranstaltungen
zum Thema. Martin Strauß und Karl-Heinz Ströhle
schließen den Zirkel und beziehen sich mit ihrer "Schaufenster-Geschichte"
auf die Ereignisse zu Beginn des Jahres 2000. Durch den Regierungseintritt
der als rechtsextrem eingestuften FPÖ Jörg Haiders
wurde der internationalen Staatengemeinschaft drastisch vor
Augen geführt, dass in Österreich, einem ehemals
nationalsozialistischen Land, bis heute nicht dieselben politisch-moralischen
und ethischen Standards gelten, wie sie etwa von deutschen
Spitzenpolitikern als selbstverständlich vorausgesetzt
werden. Es wurde deutlich, dass in Österreich eine klare
Abgrenzung von der NS-Vergangenheit nie statt gefunden hat.
Das Ergebnis auf die Regierungsbildung gemeinsam mit der FPÖ
waren massive Proteste und eine mehrmonatige diplomatische
Quarantäne Österreichs.
Für das Projekt "Schaufenster-Geschichte"
haben Martin Strauß und Karl-Heinz Ströhle eine
Art internationales Tagebuch der Ereignisse und Diskussionen
zusammengetragen: Vergrößerte, kopierte und in
Schaufenstern affichierte Zeitungsseiten von deutschen und
österreichischen Zeitungen spiegeln einerseits die Empörung
der EU, andererseits in ernüchternder Weise den nationalen
Schulterschluss und die Polemiken, in denen Opposition gegen
die neue Regierung zur "Österreichvernaderung"
erklärt wurde, wider.
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Das Bekleben von Auslagen in Arbeit mit Zeitungspapier bietet
gewöhnlich einen alltäglichen Anblick, von dem kaum
jemand besondere Notiz nimmt. Die Vergrößerung
der Zeitungsseiten auf das Drei- bzw. Vierfache weisen sie
allerdings als eigenständige Objekte aus und erzeugen
eine Irritation, welche die Aufmerksamkeit auf die Lesbarkeit
des scheinbaren Sichtschutzes lenkt. Damit wird der Laden
zur Vitrine und eine auf den ersten Blick wie Altpapier aussehende
Verklebung wieder als Träger von Inhalten erkennbar gemacht.
Die Präsentation erinnert darüber hinaus an die
heute kaum noch in Gebrauch befindlichen Schaukästen
an Redaktionsgebäuden, in denen Tageszeitungen ihre jeweils
aktuelle Ausgabe präsentierten.
Podiumsdiskussion:
Dienstag, 04. Oktober 2005, 19.30 Uhr
Michael Frank (Süddeutsche Zeitung), Eric Frey (Der
Standard), Georg Hoffmann-Ostenhof (Profil), Robert Misik
(Journalist und Buchautor), Michael Prüller (Die Presse),
Moderation: Lorenz Gallmetzer (ORF)
Ort: KUNSTHALLE Wien, project space Karlsplatz
Treitlstrasse 2, 1040 Wien
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