Die temporäre Gerüstskulptur add
on. 20 Höhenmeter bestand aus Gerüstbauteilen
und containerähnlichen Bauelementen, die durch ihre schiere
Größe in eine Art Konkurrenz zu seiner urbanen Umgebung
trat. Der Medientheoretiker Reinhard Braun¹ nannte add
on einen zur Autonomie neigenden urbanen Fremdkörper,
der seine eigene Infrastruktur mit einschließt. Als fremd
mochte daran erscheinen, dass verschiedenste Nutzungsmöglichkeiten
von Architektur in loser, modularer Form ausgestellt wurden.
In der Regel getrennte Lebensbereiche wie Wohnen, Arbeit, Konsum,
Unterhaltung und Erholung wurden in einer clusterartigen Anordnung
kombiniert, so dass ein Wohnzimmer, ein Treibhaus, ein Wohnwagen
mit Vorgarten, ein Whirlpool mit einer Installation von David
Moises, eine Werkskantine, ein Musikzimmer, eine Sonnenterasse
und ein Panoramacafé in ein direktes Nebeneinander montiert
wurden. Mit den eingebauten Toilettenanlagen, einem Aussichtsfernrohr
und einem Tischfußballtisch mag das Projekt add on
wie ein ironischer Kommentar zu den Funktionstrennungen der
umgebenden städtischen Architektur gewirkt haben.
Auf Grund der architektonischen Ausmaße der Skulptur und
der sich damit bietenden speziellen Nutzungen konnte ein Angebot
zur vielfältigen Aneignung durch das Publikum gemacht werden.
Durch die Begehbarkeit der verschiedenen Ebenen und hybriden
Räume verwandelte sich die Gerüstskulptur in eine
Spielwiese für Kinder aus der Nachbarschaft, in eine Ausstellung
und in einen Aussichtsturm. |
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Während tagsüber insgesamt über 18.000 Besucher
diese begehbare Großplastik als innerstädtisches
Ausflugziel nutzten, verwandelte sich der "Stadtturm"
am Abend zu einem überdimensionalen Clubraum und einer
Chillout Lounge.
Im Zusammenhang mit add on wurden zahlreiche internationale
KünstlerInnen eingeladen, die eigene Arbeiten entwicklten,
welche mit den örtlichen Gegebenheiten des Wallensteinplatzes
zu tun hatten, wie unter anderen die Stadtexpeditionen von
Pia Lanzinger, die ungewöhnliche Kartographierung per
Hubschrauber der Galerie für Landschaftskunst Hamburg,
die audiovisuellen Installationen von Barbara Musil, die Fotographien
von Richard Fajnor oder die Möbel von Michael Moravcek.
Trotz der vielfältigen Benutzbarkeit und offenen Zugänglichkeit
der Gerüstskuptur, gab es ein zentrales Modul, das exklusiv
als temporäre Wohn- und Arbeitsstätte für GastkünstlerInnen
verwendet wurde und so die gewohnte Funktion von Architektur
erfüllte.
Für den Kurator Vitus Weh liegt mit add on auch
ein szenischer Parcours vor, in den die Vorstellungen des
experimentellen Theaters einfließen, wonach die ZuschauerInnen
zu MitspielerInnen werden. Das Theatralische besteht darin,
dass das Kunstwerk selbst zum Erlebnisraum wird und es keine
getrennte Räume für die Darsteller und das Publikum
gab.
bk
1 Reinhard Braun, add on ein urbaner Cyborg. In: dérive
Zeitschrift für Stadtforschung, Heft 21/22, 2006,
S. 14
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