Christoph Steinbrener & Rainer Dempf

Delete

Die Entschriftung des öffentlichen Raums

temporäre Intervention

Ort: Neubaugasse, 1070 Wien

Realisierungszeitraum: 6.-20. Juni 2005
Detailinformationen zum Projekt: www.steinbrener-dempf.com

 
 

Für die markante Installation Delete wurden im Juni 2005 für zwei Wochen alle Aufschriften, Piktogramme, Firmennamen und Logos in einem Teil der Neubaugasse, eine Geschäftsstrasse des 7. Bezirks, mit gelben Folien überklebt und die Werbung in seiner Zeichenhaftigkeit annulliert. Anstelle der sonst in Permanenz präsenten Aufschriften und Logos trat das architektonische Gefüge der Schriftträger und Schichten der urbanen Kommunikation und Medialität viel deutlicher hervor. Weil von der Streichung der Aufschriften die Verkehrsleitsysteme ausgespart blieben, wurde besonders deutlich, wie sich diese Elemente im Raum der Zeichen von anderen Zeichensystemen abheben.

Durch die monochrome Verhüllung der Zeichenträger trat der skulpturale Aspekt in ungewohnter Weise hervor, denn das Volumen der geometrischen Körper konnte durch die Abwesenheit der Schrift erst in seiner Fülle wahrgenommen werden. Die einheitliche und glatte Körperlichkeit erzeugte den Eindruck von architektonischen Auswüchsen der bestehenden Gebäude, weil die Schriftträger, von ihrer Funktion entlastet, wieder zum Formenbestand der Architektur zurückkehrten.

Dass die Verhüllung, das Durchstreichen ihre eigene Art von Aufmerksamkeit erzeugt, zeigen die weit reichenden Reaktionen in den internationalen Medien.

Einen derartig starken Eingriff in das Stadtbild als künstlerische temporäre Intervention war angesichts der starken kommerziellen Interessen an der Beschriftung des öffentlichen Raums für unmöglich gehalten worden.

 

So konnte sich auch der Verdacht einstellen, dass diese Installation die Vorbereitung einer noch größeren Aktion des Stadtmarketings sei, wo mit einer Annullierung der Schrift die Aufmerksamkeit für eine Neubeschriftung gewonnen werden soll. So wäre das Aussetzen der ökonomisch-informationellen Zeichenpräsentation wieder in den Bereich eines ökonomisch motivierten Gewinns an Aufmerksamkeit zurückgeführt. Das die Auslöschung der Zeichen selbst ein Zeichen mit gesteigerter Aufmerksamkeit schafft, hat auch der Wiener Kunstsoziologe Ernst Strouhal in Bezug auf Delete angemerkt, wo er die paradoxe Wirkung der ikonoklastischen Strategie in der Kunst beobachtet.

Man könnte hier auch von glypho-klastischer Strategie sprechen, denn das Projekt bedient sich der Löschung von Schriftzeichen gegen die Überfülle der Schriftlichkeit im ökonomischen Bereich der urbanen Öffentlichkeit. Das Projekt Delete stellt damit „die Frage nach der sozialen Kontrollmacht der urbanen Signaturen in einem radikalen Sinn“(Siegfried Mattl), wenn es auch die Kontrolle über die Zeichen gar nicht endgültig gewinnen wollte und im Konsens mit den Beteiligten durchgeführt wurde. In dieser Perspektive schaffen temporäre Interventionen wie Delete einen gemeinsamen kulturellen Erfahrungsraum zwischen den lokalen Wirtschaftsstrukturen und der Bevölkerung, der jenseits der „inszenierten Urbanität“ der Shopping Malls stattfindet.

bk


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