Ken Lum, Pi

Permanente Medieninstallation

Ort: Westpassage Karlsplatz / Friedrichstraße, 1010 Wien

Realisierungszeitraum: Jänner 2005 bis November 2006
Eröffnung: 1. Dezember 2006

 
 
Photos: Joerg Auzinger

Der als Sohn chinesischer Einwanderer in Vancouver (Kanada) geborene Ken Lum, arbeitet seit den 1980er Jahren vorwiegend mit Photographie und Schrift. In Plakatserien erforscht er die gestalterischen Möglichkeiten der Werbung. Das in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten gestiegene Interesse am künstlerischen Potential von Photographie hat zur zunehmenden internationalen Wertschätzung Lums beigetragen. Neben Jeff Wall zählt er mittlerweile zu den bekanntesten kanadischen Künstlern.

Um auf der Ebene der Alltagserfahrung im Umgang mit den Werbeformen im Stadtraum zu kommunizieren, lehnt Ken Lum seine Arbeiten an deren Ästhetik an, greift dabei gleichzeitig auf die öffentlich wirksamen Aspekte des Dada, des Surrealismus und des Konstruktivismus zurück.

Die Verwendung von Spiegel in Kombination mit Schrift in der Westpassage Karlsplatz in Wien stellt eine weitere Entwicklung der Arbeiten von Lum dar, die von Beginn an um Identität, Sprache und Kultur kreisen. Hier beschäftigt sich Ken Lum in seiner Medieninstallation „Pi“ mit dem Thema der Statistik, wobei er sich mit numerischen Angaben auf die Welt bezieht. An den Seitenwänden der Passage sind 14 verspiegelte Paneele angebracht, die mit geätzten Inschriften versehen sind. Unterhalb dieser Überschriften ist jeweils eine LED-Anzeige angebracht. Die dort visualisierten Zahlen verändern sich auf der Grundlage von vorher sozialwissenschaftlich erhobenen statistischen Daten und den darauf basierenden mathematischen Prognosemodellen und den damit verknüpften Algorithmen. Ken Lum verweist auf ein Beispiel, auf dem seine Idee basiert:„In New York befindet sich eine große Countup-Uhr, die die öffentliche Staatsverschuldung der USA darstellt; die Zahlen springen jede einzelne Sekunde hinauf.“

Im unterirdischen Fußgängerdurchgang unter dem Karlsplatz in Wien spiegeln sich die PassantInnen in den einzelnen Paneelen. Während sie die jeweils aktuelle Zahlenwerte auf dem digitalen Zählwerk lesen, werden sie als Lesende mit der Zahl performativ verschränkt. In seinem Werk „Pi“ für die Westpassage Karlsplatz bezeichnet Ken Lum seine Kombination von Text mit statistischem Zahlenmaterial als „Factoid“.

Factoids können sowohl zählbare Tatsachen als auch trivialisierte Informationen sein, die in Zahlen übersetzt werden.Dabei handelt es sich meist um präzise erhobene und komplexe Datensätze, wobei die Differenz von lokalen und globalen Bezügen ins Spiel gebracht wird. Das Factoid „Verzehrte Schnitzel in Wien seit 1. Jänner“ bringt nicht nur die ironische Seite der Statistik ins Spiel, sondern bildet auch einen Anschluss an die von der Arbeiterkammer Wien geförderte Plakatserie für eine fiktive Fast-Food-Kette, „Schnitzel Company“, mit der Ken Lum schon 2004 im Wiener Stadtraum präsent war.

Über dem an die Hauptpassage angrenzenden Eingangsbereich befindet sich eine großformatige LED-Anzeige hinter halbverspiegeltem Glas. Markant visualisiert ein 14-stelliges Zählwerk ununterbrochen neue Zahlenkombinationen und verweist hier auf das zentrale Thema der gesamten Installation.

Räumlich im mittleren Bereich des Fußgängerdurchgangs positioniert und als Symbol für Welt steht die Darstellung der Zahl Pi. Die unendliche Dezimalzahl ist mit 478 Kommastellen ins Breitwandformat übersetzt, wobei die letzten aktuell errechneten Kommastellen per Computerprogramm auf eine LED-Anzeige eingespielt werden. Weiters wurde in einer frei stehenden und einsehbaren Vitrine an der Abzweigung der Passage Richtung Secession eine Ausstellungssituation mit lexikalischen und statistischen Handbüchern zu Themen wie Bevölkerungsentwicklung oder Migration geschaffen. Hier wird ähnlich wie auf den so genannten „Factoids“ das mathematische Problem der Zurechnung angesprochen, das in seiner politischen Dimension bei Ken Lum dem globalen Phänomen der Migration als Anwesenheit, Zugehörigkeit und Ausschluss entspricht.

Der durch den Umgang mit Massenmedien geformten Minimalismus und die in Werbung erfahrene Konzeptkunst ermöglicht es Lum, komplexe soziopolitische Zusammenhänge wirksam im öffentlichen Raum zu formulieren.

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